Dienstag, 27. Januar 2009

Infra-Tagung Luzern

Verkehrsfinanzierung ohne Steuergelder – Utopie oder bald Realität?
Grenzenlose Ausbauwünsche, fehlende finanzielle Mittel
Die öffentliche Hand steht bei den Verkehrsinfrastrukturen vor grossen Herausforderungen, wie anlässlich der traditionellen Infra-Tagung Mitte Januar im KKL Luzern zu erfahren war. Auch massive Steuererhöhungen könnten in diesem Fall kaum Besserung verschaffen.
Rund 700 Teilnehmer hatten sich auch dieses Jahr eingefunden, wohl nicht zuletzt auch, um von den hochkarätigen Referenten Neuigkeiten betreffend Finanzierung von Infrastrukturbauten zu vernehmen. Die Bedürfnisse nach modernen, zeitgemässen Verkehrsinfrastrukturen übertreffen offenbar bei weitem die finanziellen Möglichkeiten von Bund, Kantonen und Gemeinden. Bei den möglichen Lösungsansätzen zur Bewältigung der in Zukunft weiter massiv steigenden Mobilität vertraten die Referenten zum Teil recht unterschiedliche Standpunkte.
Am kontroversesten äusserte sich Professor Reiner Eichenberger, Leiter des Seminars für Finanzwissenschaften der Universität Fribourg. „Wer soll die Finanzierung der Verkehrs-Infrastruktur bezahlen?“ – so seine einleitende Frage, zu der er die Antwort gleich mitlieferte: „Natürlich die Benützer! Genau so wie es heute für die Telefon-, Post-, Elektrizitäts- und Wasserinfrastruktur selbstverständlich ist, dass die Benützer für die Kosten aufkommen, muss auch im Verkehrsbereich endlich das Verursacherprinzip durchgesetzt werden.“ Die konsequente Durchsetzung soll gemäss Eichenberger mit einem dreistufigen Reformprogramm die heutige, aus Sicht von Eichenberger, „völlig verfehlte Subventionierungspolitik durch eine „Neue Finanzierung des Verkehrsbereichs“ (NFV) abgelöst werden.“ Konkret fordert er die volle Abgeltung der individuellen externen Kosten pro Verkehrsteilnehmer (durch ein elektronisches „Road Pricing“ System) und die vollständige Streichung der Subventionen für den öffentlichen Verkehr. Dieses „Verursacherprinzip für alle“ würde die Übermobilität der Gesellschaft mit all ihren negativen Auswirkungen beseitigen. Zusätzliche Staatseinnahmen zwischen 7 und 10 Mrd. Franken (Abgeltung der externen Kosten), die Streichung der Subventionen beim öV von rund 7 Mrd. Franken und einen tendenziellen Rückgang der Verkehrsnachfrage mit entsprechenden Einsparungen beim Infrastruktur(aus)bau würden gemäss Eichenberger die öffentlichen Budgets um 14-18 Mrd. Franken jährlich entlasten. Der Finanzexperte ist zudem überzeugt, dass eine komplett neue Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen nicht nur wirtschaftlicher, ökologischer und demokratischer, sondern in der Schweiz auch mehrheitsfähig ist.
Leistungsfähige Schienen und Strassen sind gemäss Peter Siegenthaler, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, unabdingbare Voraussetzungen für eine prosperierende Volkswirtschaft und tragen wesentlich zum nationalen Zusammenhalt und Austausch bei. Gleichzeitig zeigte Siegenthaler aber auch deutlich die (finanziellen) Grenzen auf. Sowohl beim privaten als auch beim öffentlichen Verkehr sei ein eigentlicher Projekt-Wettlauf im Gange. Das führe dazu, dass heute Ausbauwünsche im Umfang von rund 60 Mrd. Franken im Raum stünden, welche vom Bund zu tragen wären. Und dieser Wunschkatalog ist gemäss den Ausführungen von Siegenthaler in dieser Grösse nicht finanzierbar. Eine Priorisierung der Projekte ist deshalb zwingend notwendig. Gebaut werden soll nur, was einen erwiesenen volkswirtschaftlichen Nutzen abwirft.
Andreas Meyer, CEO der Schweizerischen Bundesbahnen, rechnet mit einem Anstieg des Schienenverkehrs bis ins Jahr 2030 von mehr als 50 Prozent, in Teilbereichen sogar mit mehr als 100 Prozent. In den Hauptverkehrszeiten stosse das SBB-Netz zum Teil schon heute an seine Kapazitätsgrenzen. Die Optimierung des Rollmaterials ist geplant oder bereits im Gange. Um jedoch die Systemzuverlässigkeit auch in Zukunft zu gewährleisten, ist laut Meyer ein rascher Ausbau des Schweizer Schienennetzes unumgänglich. Mit den Beschlüssen der eidgenössischen Räte über die ZEB-Vorlage und deren Folgeprogramm, der Bahn 2030, sei ein erster, wichtiger Schritt getan.
Michel Buro, Präsident des Fachverbands Infra, forderte einmal mehr von der Politik verbindliche und langfristige Infrastrukturplanungen mit möglichst tragfähigen und verlässlichen Finanzierungslösungen. Für Benedikt Koch, Geschäftsführer des Fachverbands Infra, hätte eine Erhöhung der Mineralölsteuer oder ein Aufschlag bei der Autobahnvignette nur dann eine Chance, wenn die Politik glaubwürdig darlegen könnte, dass die Mehreinnahmen zu 100 Prozent für die Verbesserung der Strasseninfrastrukturen eingesetzt würden. Mit einem Zuschlag von 20 Rappen pro Liter könnten gemäss Koch jährlich Mehreinnahmen von 1,4 Mrd. Franken generiert werden, welche eine schnellere Beseitigung der Engpässe auf dem Nationalstrassennetz ermöglichen würde.
In seiner Funktion als Präsident des Verwaltungsrates der Ammann-Unternehmungen referierte Nationalrat Johann Schneider-Ammann zum Thema Kosten- und Ressourcenoptimierung bei der Mischgutaufbereitung. Eine Absenkung der Misch- und Verarbeitungstemperaturen sowie eine Erhöhung des Anteils an Recyling-Material im Neu-Asphalt führen gemäss Schneider-Ammann nicht nur zu markanten Verbesserungen in den Bereichen Wirtschaftlichkeit, Unweltverträglichkeit, Betriebssicherheit und Bedienerfreundlichkeit, sondern optimieren auch die Infrastrukturkosten.

Wer ist Infra?
Der Fachverband Infra ist ein selbständiger Verein im Sinne des Artikels 60 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Er ist Mitglied beim Schweizerischen Baumeisterverband, bei bauenschweiz und beim Verein Infrastruktur Strasse. Am 1. Januar 2007 ist der Fachverband Infra aus der Fusion von folgenden fünf Fachorganisationen entstanden: Vereinigung Schweizerischer Tiefbauunternehmer (VST), Verband Schweizerischer Strassenbauunternehmer (VESTRA), Vereinigung Schweizerischer Untertagbau-Unternehmer (VSU), Verband Schweizerischer Grund- und Spezialtiefbauer (VSGS) und Vereinigung Rohrvortrieb Schweiz (RVS).






Andreas Meyer (SBB)
Michel Buro (Infra)

Prof. Reiner Eichenberger